Rede zum Brexit
Liebe Briten,
zuerst möchte ich euch danken für den wirtschaftlichen Boost, welchen wir aufgrund eurer Entscheidung für den Brexit erfahren dürfen.
So viele britische Unternehmen sind noch nie in so kurzer Zeit nach Kontinentaleuropa umgesiedelt. Euer selbstloses Handeln hat sogar bewirkt, dass euer ehemaliger Erzfeind Frankreich nun eine stärkere Wirtschaft hat als ihr. Was mir jedoch am besten daran gefällt ist, dass alle diese großzügigen Taten aus reinstem Egoismus entstanden sind.
Die ursprünglichen Ziele des Brexits waren Selbstbestimmung, Unabhängigkeit von der EU und ein stärkeres Großbritannien. Doch schade für euch, dass nichts davon durch einen Brexit realisiert werden kann. Eure Wirtschaft ist so schwach wie schon lange nicht mehr und bei einem No-Deal Brexit ist das nur die Spitze des Eisbergs. Euer Parlament redet seit Monaten über nichts anderes als die EU und eure Regierung muss diese auch schon fast anflehen, den Brexit zu verschieben.
Spätestens jetzt sollte jedem klar sein, dass es doch keine so gute Idee war, die EU verlassen zu wollen. Selbst schuld, wenn man sich anstatt ins gemachte Bett, auf die Schienen legt.
Bald wird die ehemalige Weltmacht Großbritannien nicht nur ihre Überseegebiete, sondern auch ihren Einfluss auf Europa verloren haben.
Doch so sehr es mich auch freut, dass die konservativen Briten eigenständig ihre eigene Wirtschaft enthauptet haben, um so mehr ärgert es mich für jeden einzelnen liberalen Briten, der genauso gerne in der EU lebt, wie ich es tue.
Wir alle genießen sehr die offenen Grenzen, die allgemeine Währung, das Recht in der EU zu leben und zu arbeiten, wo wir wollen und natürlich die nicht existierenden Roaming-Gebühren im EU- Ausland - von der Wirtschaftsunion ganz zu schweigen.
Europa ist der Geburtsort unserer gesamten westlichen Kultur, nirgendwo sonst auf der Welt gibt es so viele unterschiedliche Kulturen auf einem Haufen wie hier. Unser Problem war immer die innereuropäische Rivalität. Von dieser haben andere profitiert. Fast ein halbes Jahrhundert lebten wir unter russisch-amerikanischer Fremdherrschaft, dann fingen wir an zu kooperieren und plötzlich waren wir auch eine Weltmacht, wie die Amerikaner, welche sich schon seit Jahrhunderten an ihrer kulturellen Vielfalt bereichern.
Es ist merkwürdig, dass die sonst so fortgeschrittenen Briten einen solchen Rückschritt wagen. Jene Briten, welche weltbekannt für ihre kulturellen Errungenschaften sind, jene Briten, die den Fußball erfanden, jene Briten, die mit ihrem Humor die ganze Welt zum Lachen bringen und jene Briten, die ich bitte in der EU zu bleiben, damit uns so ein wertvolles Stück Europa mit seinen wunderbaren Einwohnern nicht verloren geht.
Vinzenz Stützer, A20D2
(Ek, 20.06.2019/BC)